Steinbach. Das Bürgerbegehren, das die Bürgerplattform vor gut drei Jahren einreichte, um den Supermarkt im Neubaugebiet Taubenzehnter zu verhindern, war nicht das erste in der Steinbacher Geschichte. Bereits im Jahr 1866 nämlich meldeten sich die Bürger der damals etwa 650 Einwohner zählenden Gemeinde mit einer Unterschriftenliste zu Wort, die Großherzog Ludwig III., Oberhaupt des Großherzogtums Hessen-Darmstadt, überreicht wurde. Die Forderung der Staabacher: Sie wollten Hessen bleiben und keine Preußen werden.
Der Landeswechsel aber drohte, weil nach Ende des preußisch-österreichischen Krieges, der in der berühmten Schlacht bei Königgrätz entschieden wurde, die Ländergrenzen neu geordnet werden sollten. Steinbach sollte damals gegen Wolferborn, heute ein Stadtteil von Büdingen, getauscht und damit preußisch werden. Doch die Preußen wollten das "arme" Steinbach nicht, und Ludwig III. war wohl von der Steinbacher Treue beeindruckt. Kurz: Die Steinbacher blieben Hessen
Kein Bahnanschluss Was ihnen aber nicht zum Vorteil gereichte, denn die dann erbaute Eisenbahnlinie führte von Rödelheim nach Niederursel – an Steinbach vorbei. Das hatte, wie man sich denken kann, negative wirtschaftliche Auswirkungen. Steinbach blieb arm, die preußischen Gemeinden dagegen prosperierten. Steinbach wurden nun von Offenbach verwaltet, was bei Behördengängen lange Wege erforderte.
Diese Einblicke in die ansonsten wenig aufsehen-erregende Geschichte Steinbachs gewährt ein Heimatbuch, das Hermann Christian Pauli anlegte. Solche Heimatbücher waren in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts vom Regierungsbezirk Darmstadt an Schulleiter verteilt worden mit dem Auftrag, Heimatgeschichte aufzuzeichnen.
Die Freude ist groß beim historischen interessierten Bürgermeister Dr. Stefan Nass. Das Heimatbuch von Hermann Pauli, das ihm dessen Sohn Peter jetzt überreichte, wird einen Ehrenplatz im Stadtarchiv bekommen. Foto: Reichwein Erst in Sütterlin Pauli, Leiter der Steinbacher Volksschule, begann 1927 damit, Steinbachs Geschichte von den Anfängen des Dorfes | | bis 1962 niederzuschreiben, und das handschriftlich, in Sütterlin zunächst, später in der heutigen Schreibweise.Das Heimatbuch bildete die Grundlage der Druckfassung von "Steinbach im Taunus", die 1966 in erster Auflage vom Gemeindevorstand herausgegeben wurde. Eine zweite Auflage folgte 1970. Es ist das erste und bisher einzige Heimatbuch, das die Geschichte Steinbachs aufzeichnet.
Die Vorlage, das handschriftliche Exemplar nämlich, ist seit dieser Woche im Besitz der Stadt Steinbach. Es ist ein Geschenk von Peter Pauli, dem Sohn des Stadtchronisten, der das Buch Bürgermeister Dr. Stefan Naas (FDP) überreichte. Beim Durchforsten einer alten Kiste habe er das Heimatbuch vor einem Jahr gefunden. "Ich trenne mich nur ungern davon, denke aber, dass es im Stadtarchiv gut aufgehoben ist", sagte der 73-Jährige. Peter Pauli verließ schon als junger Mann mit seiner Familie Steinbach, um an der Fachoberschule im bayerischen Marktheidenfeld zu unterrichten, war also Lehrer wie sein Vater. Pauli wohnt im Örtchen Hafenlohr, wo er einige Jahre Bürgermeister war.
Mit dem Heimatbuch verbindet Peter Pauli viele Erinnerungen an lange Wanderungen mit seinem Vater durch den Taunus. "Dann erzählte er mir vom Altkönig, von der berühmten ,Schlacht bei Steinbach’, als Truppen aus Frankfurt und Kronberg aufeinander los gingen, bis hin zur Sonderstellung Steinbachs als hessische Enklave mitten im preußischen Gebiet. Was Steinbach den traurigen Beinamen "das vergessene Dorf" einbrachte.
Das Heimatbuch sei ein "echtes Lebenswerk" seines Vater gewesen. Bereits 1927 hatte er mit den Aufzeichnungen begonnen. Bis zum Kriegsausbruch forschte Hermann Pauli, meistens während der Schulferien, in den Archiven in Darmstadt, Mainz oder Wiesbaden, um Daten und Fakten zur Steinbacher Geschichte an der Quelle zu sammeln. Er erstellte Statistiken über den Obstanbau und berichtete über den Bau der Wasserleitungen zwischen 1953 und 1955. Nicht alles Material aus diesen Archiven habe wohl den Krieg überstanden und sei unwiederbringlich verloren, vermutet Peter Pauli. "Wie gut also, dass sich jemand aus der kleinen, geschichtlich unbedeutenden Gemeinde Steinbach am Taunus rechtzeitig um diese Urkunden gekümmert hatte."
Hermann Pauli war aber nicht nur historisch interessiert, er dokumentierte auch den Obstbau, war selbst Nebenerwerbsobstbauer und hatte "maßgeblichen Anteil an der Entwicklung der Erdbeersorte ,Oberschlesier’". Und im Vereinsleben mischte der Dorfschullehrer ebenfalls mit. Mit seinen Schützenbrüdern Theodor Weber, Henrich Gissel und Gottfried Sachs, dem Großvater von Bürgermeister Nass, gründete Paul 1930 die Steinbacher Schützengesellschaft.
Im Beisein von Hans Pulver, dem Autor der Steinbacher Geschichte(n), seiner Frau Anni und Werner Lienow vom Steinbacher Geschichtsverein, dankte Bürgermeister Dr. Stefan Naas (FDP) Peter Pauli für die "wertvolle Gabe". "Das Heimatbuch wird einen Ehrenplatz in unserem neuen Stadtarchiv erhalten", versprach der Rathauschef.
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