30.11.2015 Lokales Steinbach
Bibel als Tagebuch
An die 90 Bibeln präsentiert der Verein für Geschichte und Heimatkunde im Backhaus-Museum in Steinbach. Sie können während des Weihnachtsmarktes am Wochenende besichtigt werden. Das älteste Exemplar stammt von 1578. In der Gutenberg-Bibel darf sogar geblättert werden: Ilse Tesch, Vorsitzende des Geschichtsvereins, zeigt sie Rudolf Nägele.
VON CARLA MARCONI
Steinbach. Die Bibel galt in vielen Familien als eine Art Tagebuch, als wichtiges Dokument, das vererbt wurde. Bei Margit Gönsch wurde das Buch aus dem Jahr 1899 von der Urgroßmutter an die Großmutter und von ihrer Mutter an sie weiter gegeben. „Darin hat meine Urgroßmutter Einträge gemacht von allen, die geboren wurden, und von denen, die gestorben sind. Auch ihren Seelenschmerz, den sie durchleiden musste, als eines ihrer Kinder von einer Pferdekutsche überfahren wurde, hat sie auf den Seiten der Bibel festgehalten“, weiß die 64-Jährige.
Ihre Bibel ist eine von insgesamt 40 Büchern von Leihgebern, die bei der Bibelausstellung des Vereins für Geschichte und Heimatkunde derzeit im Museum im Backhaus präsentiert werden. Hinzu kommen weitere 30 Werke aus eigenem Bestand sowie 17 fremdsprachige Exemplare, wie Ilse Tesch, Vorsitzende des Geschichtsvereins, bei der Ausstellungseröffnung berichtete. Das älteste Exponat ist eine Feierabendbibel aus dem Jahr 1578. „Sie wurde 1920 wahrscheinlich von meinem Onkel in der Scheune eines alten Bauernhofes in Philippsthal gefunden“, erzählt Karl-Heinz Jacob, der in Steinbach wohnt. Man vermutet, dass die Bibel während des Dreißigjährigen Krieges im Schuppen versteckt wurde und dass der Onkel beim Spielen das dicke Buch gefunden hat. „Er muss darin wohl auch rumgekritzelt haben, denn sein Name Fritz ziert manche Seiten“, so Jacob.
Nun sei das Buch jedoch restauriert worden und steht im Mittelpunkt der ersten Bibelausstellung des Geschichtsvereins. Neben einigen Künstlerbibeln von Dali, Chagall oder Rembrandt zieht vor allem eine große Gutenberg-Bibel, bei der es sich um einen Nachdruck von 1991 handelt, die Blicke der Besucher auf sich. Und sie dürfen darin sogar blättern. Oder sich weitere interessante Geschichten von Familienbibeln anhören.
Impfdaten notiert
Beispielsweise die von Wolfgang Möhle, die er von seinem Großvater bekommen hat. „Mein Großvater war Reichsbahnbeamter und hatte acht Kinder. Alle ihre Geburtsdaten sind in der Bibel von 1895 festgehalten“, berichtet er. Auch die Impfdaten wurden darin notiert, so galt das Buch als eine Art Impfbescheinigung.
Solche Geschichten konnten nicht nur die Besucher bei der Vernissage am Sonntag erfahren, sondern sie werden von den Exponaten selbst und den beigefügten schriftlichen Erläuterungen auch während der normalen Ausstellung erzählt. Sie kann während des Weihnachtsmarktes am 5. und 6. Dezember – Samstag zwischen 14 und 18 Uhr sowie Sonntag zwischen 14 und 17 Uhr – besichtigt werden.
Zudem soll es Ende Januar mit der Wiedereröffnung der Präsentation sowie mit einem Quiz weitergehen. Hinzu kommt, dass jeden Samstag Steinbacher ihre Bibel vorstellen oder ihre Lieblingsstelle aus der Bibel vorlesen können. Zu welcher Uhrzeit steht noch nicht fest.
Die Bibel hatte also vielseitige Funktionen neben der Verkündung des Wortes Gottes und war für Familien ein wichtiges Dokument. „Meine Mutter hat darin neben Bildchen auch eine Locke meines Bruders aufbewahrt“, erinnert sich Margit Gönsch. Sie müsse nun selbst ihre Familiendaten eintragen. „Ich habe dafür gesorgt, dass meine Kinder wissen, wo die Bibel aufbewahrt wird. Denn sie sollen sie bekommen, wenn ich mal nicht mehr bin“, erklärt sie.
In der Gutenberg-Bibel darf sogar geblättert werden: Ilse Tesch, Vorsitzende des Geschichtsvereins, zeigt sie Rudolf Nägele.